Peer Instruction

  • Posted on: 31 March 2016
  • By: Antje Nissler

Peer Instruction (PI) ist eine aktivierende und verständnisorientierte Lehr-Lernmethode, die von Eric Mazur entwickelt wurde und ihren Ursprung im Fachbereich Physik hat. In den letzten Jahren hat die Methode verstärkt Einzug in die Hochschullehre gehalten und erfreut sich zunehmender Beliebtheit – auch in anderen Fachbereichen. Wie genau diese Methode funktioniert, wie Studierende und Lehrende von dem Einsatz der Methode profitieren und auf was man beim Einsatz achten soll, wird im Folgenden beschrieben.

Wie funktioniert Peer Instruction?

Im Zentrum der Methode stehen Verständnisfragen, die Studierende anregen sollen, sich mit den Inhalten aktiv auseinanderzusetzen. Dabei ist eine kurze Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Zunächst sollen die Studierenden alleine über die Frage und deren Inhalte nachdenken und sich für die in ihren Augen richtige Lösung entscheiden. Ihre Wahl teilen die Studierenden mithilfe eines Abstimmungssystems idealerweise anonym mit. Bei der Präsentation des ersten Abstimmungsergebnisses erfahren die Studierenden, wie viele ihrer Kommilitonen sich ebenfalls für die gleiche Lösung entschieden haben bzw. wie viele von ihnen anderer Meinung sind.

Handelt es sich um eine gut gewählte Peer-Instruction-Frage streuen die Antworten der Studierenden und die Lehrperson fordert die Studierenden zur Diskussion der Frage und der Antwortalternativen auf. Die Studierenden sollen sich in dieser Phase idealerweise mit Peers austauschen, die anderer Meinung sind als sie selbst und Argumente für oder gegen die aufgelisteten Antwortmöglichkeiten finden.

Im Anschluss an die Diskussionsphase findet eine zwei Abstimmung statt, bei der die Studierenden erneut gemäß ihrem Wissen und ihrer Überzeugung nach der Diskussion abstimmen dürfen. Auch dieses Mal wird das Ergebnis wieder im Plenum präsentiert. Typischerweise zeigt sich an diesem Punkt eine Verschiebung der Antworten im Vergleich zur ersten Abstimmung zu Gunsten der richtigen Antwort/en. Die Lehrperson greift nun dieses Ergebnis auf und erklärt mit Unterstützung studentischer Argumente, warum die einzelnen Antwortalternativen richtig bzw. falsch sein müssen.

Liegt die Mehrheit (> 70 Prozent) der Studierenden schon bei der ersten Abstimmung richtig, löst die Lehrperson die Frage im Plenum (am besten unter Einbezug der Studierenden) auf und fährt mit der Lehrveranstaltung fort. Eine Diskussion zwischen den Studierenden wäre hier nicht besonders gewinnbringend, da die Studierenden bereits über das relevante Wissen verfügen. Im entgegengesetzten Fall, wenn weniger als 30 Prozent der Studierenden die richtige/n Antwort/en auswählt, wird ebenfalls nicht zu einer Diskussionsphase übergleitet. In diesem Fall wäre die Diskussion fruchtlos, da zu wenige Studierende über das nötige Wissen zur Lösung dieser Frage verfügen, und die Studierenden würden ihre Fehlvorstellungen durch die Diskussion womöglich verstärken.

Worauf sollten Lehrende bei der Umsetzung von PI achten?

Beim Einsatz der Methode Peer Instruction sollten einige Aspekte beachtet werden, damit das volle Potenzial der Methode ausgeschöpft werden kann. Der zentrale Aspekt hierbei ist die Qualität der Fragen. Was gute Fragen, wird im nachfolgenden Teilkapitel „Wie müssen gute PI-Fragen gestaltet sein? Auf was muss ich bei der Qualität von PI-Fragen achten?“ erläutert. Für den Erfolg der Methode ist es zusätzlich von Bedeutung, dass der Ablauf der Methode eingehalten wird damit die Studierenden die Zeit und Möglichkeit haben, über die Fragen und Antworten selbst nachzudenken und anschließend fachlich zu diskutieren. Während der Diskussionsphase sollten Lehrende die Zeit nutzen, umhergehen und in die Diskussionen der Studierenden hineinhören. Dies eröffnet ihnen einen wertvollen Einblick in die Argumentationsweise und den Wissensstand der Studierenden. Überhaupt sollten Lehrpersonen während dem Methodeneinsatz den Studierenden die „Bühne“ überlassen und sich zurücknehmen, z. B. in dem sie die Fragen nicht vorlesen und kommentieren, in dem sie die Argumente von den Studierenden einholen und mit diesen arbeiten. Wichtig ist es auch, die Studierenden vor dem ersten Einsatz der Methode über den Ablauf und den Nutzen der Methode zu informieren, so dass diese sich auf das Lehrkonzept einlassen, den Mehrwert erkennen und es nicht als Spielerei abtun.

Weitere wertvolle Tipps für die Umsetzung von PI in der Lehre finden sie hier:

  • M. Brunnhuber, B. Hank, K. Hoechstetter, A. Kämper, A. Nissler, K. Wolf: Methoden für die Lehre in MINT-Fächern. In: F. Waldherr, C. Walter: didaktisch und praktisch. Ideen und Methoden für die Hochschullehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage, 2014, S. 43-63.
  • K. Hoechstetter: "Die Methode funktioniert nicht!" - Folgenreiche Fehler auf Dozentenseite beim Einsatz aktivierender Lehrmethoden. In: DiNa-Sonderausgabe, Tagungsband zum zweiten HD-MINT-Symposium, 2015, S. 226-227 (Druckausgabe), S. 232-233 (online-Ausgabe). (Beitrag als PDF)

Welche Abstimmungssysteme kann ich für PI verwenden?

Für die Abstimmungen stehen verschiedene Systeme zur Auswahl: Sie können entweder mit Classroom Response Systemen arbeiten, die mit kleinen Handabstimmungsgeräten oder webbasiert funktionieren, oder auf die analoge Variante mit der „Vier-Felder-Tafel“ zurückgreifen. Eine Übersicht zu verschiedenen Classroom Response Systemen bietet beispielsweise die Uni Gießen (Link).

Die Wahl des Abstimmungssystems ist nicht zwingend maßgeblich für den Erfolg der Maßnahme und kann daher den technischen und finanziellen Möglichkeiten des Einsatzortes sowie den individuellen Bedürfnissen der Lehrperson angepasst werden. Dennoch hat der Einsatz der verschiedenen Systeme seine Vor- und Nachteile, die man ebenfalls in die Entscheidung miteinbeziehen sollte. Diese werden beispielsweise in folgendem Artikel thematisiert.

  • M. Brunnhuber, B. Hank, K. Hoechstetter, A. Kämper, A. Nissler, K. Wolf: Methoden für die Lehre in MINT-Fächern. In: F. Waldherr, C. Walter: didaktisch und praktisch. Ideen und Methoden für die Hochschullehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage, 2014, S. 43-63.

Wozu kann ich PI in meiner Lehrveranstaltung einsetzen?

Der Einsatz von PI-Fragen kann mit unterschiedlicher didaktischer Zielsetzung und zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Vorlesungsverlauf erfolgen. So können die Fragen sowohl zur Einführung neuer Themen verwendet werden als auch zur Vertiefung behandelter Inhalte oder als Feedbackmethode, um den Studierenden Rückmeldung zu ihrem aktuellen Wissensstand zu geben. Nähere Ausführungen zu diesem Punkt und Beispielfragen für die verschiedenen didaktischen Zielsetzungen finden Sie in folgendem Beitrag:

  • M. Brunnhuber, B. Hank, K. Hoechstetter, A. Kämper, A. Nissler, K. Wolf: Methoden für die Lehre in MINT-Fächern. In: F. Waldherr, C. Walter: didaktisch und praktisch. Ideen und Methoden für die Hochschullehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage, 2014, S. 43-63.

Wie hoch ist der Aufwand bei dieser Methode in der Vorbereitung und bei ihrem Einsatz in der Lehrveranstaltung?

Grundsätzlich ist der Einsatz von Peer Instruction in der Lehre mit wenig Aufwand verbunden und kann einfach in ein bestehendes Lehrkonzept eingebunden werden. Eine PI-Frage nimmt mit dem oben skizzierten Ablauf zwischen 5 und 15 Minuten in Anspruch.

Das aufwändigste an der Methode ist die Auswahl bzw. die Entwicklung geeigneter Fragen. Einen Fundus an verschiedenen PI-Fragen bietet diese Plattform. Durch das Registrieren und Einstellen eigener Fragestellungen können Synergieeffekte mit anderen Lehrpersonen genutzt werden, die ebenfalls diese Methode in ihrer Lehre einsetzen.

Wie müssen gute PI-Fragen gestaltet sein? Auf was muss ich bei der Qualität von PI-Fragen achten?

Gute PI-Fragen zu entwickeln, die nicht nur inhaltlich in die eigene Lehrveranstaltung passen, sondern auch gezielt die Fehlvorstellungen und Verständnisschwierigkeiten der Studierenden aufgreifen, ist eine kleine Kunst und bedarf Zeit sowie etwas Übung.

Da es sich bei PI-Fragen um Multiple- bzw. Single-Choice-Fragen handelt, sollten bei der Entwicklung dieser Fragen Leitfäden und Hinweise zur Erstellung von Multiple-Choice-Fragen berücksichtigt werden:

Darüber hinaus - und darin liegt der Kern von  Peer Instruction – sollen mit den Fragen Konzepte und Inhalte des Faches aufgegriffen werden, die den Studierenden in der Regel viel Mühe bereiten bzw. die häufig zu Verständnisproblemen und Fehlvorstellungen führen. Entsprechend sollen die Distraktoren der Fragen gewählt werden. Geeignete Quellen zur Extraktion solcher Antwortalternativen sind beispielsweise schriftlich bearbeitete Übungen, Tutorials, Klausuraufgaben oder JiTT-Begleitaufgaben.

Weitere Hinweise und Tipps für die Erstellung bzw. zur Auswahl geeigneter PI-Fragen bietet u. a. folgender Artikel:

  • Bach, Stefan; Gertis, Janina; Nissler, Antje: Peer Instruction in der Ingenieurmathematik. In: DiZ - Zentrum für Hochschuldidaktik (Hg.): Abschlussband zum Projekt HD MINT. DiNa- Sonderausgabe:

Worin liegt der Nutzen dieser Methode?

Der Einsatz von PI in der Lehre hat den Vorteil, dass sich die Studierenden aktiv an der Vorlesung beteiligen und sich durch die Bearbeitung der Fragen intensiv mit den Inhalten der Lehrveranstaltung auseinandersetzen. Durch die Diskussion mit ihren Peers, aber auch durch die Einsicht der Abstimmungsergebnisse erhalten die Studierenden Rückmeldung zu ihrem Lernstand und können dadurch ihren Lernprozess besser kontrollieren. Die Methode hilft den Studierenden auch ihre Fehlvorstellungen zu erkennen und gibt ihnen dadurch den Impuls, sich mit den Themen und ihren Verständnisproblemen auseinanderzusetzen.

PI ermöglicht den Studierenden auch, sich fachlich mit ihren Kommilitonen und Kommilitoninnen auszutauschen und erfordert, die eigene Meinung zu begründen. Durch die Methode wird auch das Verbalisieren von Wissen und Vorgängen geschult. Der tatsächliche Verständnisgrad der Veranstaltungsinhalte wird dadurch transparenter. Denn erst wenn man etwas erklären kann, hat man es wirklich verstanden.

Im Vergleich zu einfachen Fragen, die ans Plenum gestellt werden, bietet PI den Vorteil, dass die Studierenden während der Abstimmung anonym bleiben können. Damit sinkt die Hemmschwelle sich an der Beantwortung der Frage zu beteiligen und die Interaktion zwischen den Studierenden aber auch zwischen dem Dozierenden und den Studierenden steigt.

PI bietet nicht nur für die Studierenden einen Mehrwert sondern hilft auch den Dozierenden. Durch die kognitive Aktivierung der Studierenden beteiligen sich die Studierenden reger an der Lehre. Es entwickeln sich vermehrt Diskussionen, die der Lehrperson wertvolle Hinweise über den Lernstand der Studierenden geben. Dadurch erkennt die Lehrperson einfacher, womit die Studierenden noch Probleme haben und wo sie noch ergänzende Hilfestellungen benötigen. Dadurch kann die Lehrperson ihre Lehre besser an den Bedürfnissen der Studierenden ausrichten. Durch die Pi-Fragen und die Antworten der Studierenden erhält die Lehrperson gleichzeitig aber auch Feedback zur Effektivität ihrer Erklärungen in dem Themengebiet. Insgesamt kann gesagt werden, dass durch den Einsatz von PI die Lehre zielgerichteter, individueller und effizienter wird.

Empirische Belege zum Nutzen von PI sowie ergänzende Hinweise auf den Mehrwert dieser Methode liefern auch folgende im Rahmen des Projekts HD MINT entstandenen Artikel:

  • E. Eich-Soellner, R. Fischer, K. Wolf: Aktivierung und Feedback - Der Einsatz von Just-in-Time Teaching und Peer Instruction in einer Analysis-Veranstaltung. In: J. Roth, J. Ames (Hrsg.): Beiträge zum Mathematikunterricht 2014, Münster: WTM, S. 321-324. (Zum Beitrag )
  • K. Wolf, A. Nissler, E. Eich-Soellner, R. Fischer: Mitmachen erwünscht - aktivierende Lehre mit Peer Instruction und Just-in-Time Teaching. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 2014, Band 9, Heft 4, S. 131-153. (Zum Artikel )
  • M. Brunnhuber, B. Hank, K. Hoechstetter, A. Kämper, A. Nissler, K. Wolf: Nicht ins Leere lehren – Feedback und Interaktion in MINT-Lehrveranstaltungen. In: F. Waldherr, C. Walter: didaktisch und praktisch. Ideen und Methoden für die Hochschullehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2. erweiterte Auflage, 2014, S. 133-144.
  • A. Nissler: Mit Peer Instruction und Just-in-Time Teaching Studierende in ihrem Lernprozess unterstützen. Hrsg. vom ZiLL- Zentralinstitut für Lehren und Lernen. Fortbildungszentrum Hochschullehre (FBZHL) (Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.). (Zum Online-Artikel )
  • B. Meissner: Wie kommt Peer Instruction im Hörsaal an? In: DiZ - Zentrum für Hochschuldidaktik (Hg.): Abschlussband zum Projekt HD MINT. DiNa- Sonderausgabe: